Warum es manchmal besser ist gar nichts zu tun und den Mund zu halten.
Burnout kommt schleichend, doch für die Betroffenen ist der Moment des psychischen und physischen Kollaps in der Regel doch plötzlich und überraschend.
Oh ja, die meisten wissen und spüren bereits vorher das sie erschöpft sind, gestresst und in einer täglichen Tretmühle, aus der es kein Entkommen zu geben scheint. Aber die Heftigkeit in dem Moment wo der innere Schalter umkippt von „ich funktioniere weiter“ zu „ich kann nicht mehr“ kann atemberaubend schmerzhaft sein, überraschend, schockierend und angsteinflößend.
Warum ich das schreibe? Weil ich es selbst vor ca. 10 Jahren so erlebt habe.
Und nun geht das eigentliche Problem erst los, denn viele Betroffene sind Leistungs- und Verantwortungsträger, Menschen die alles im Griff haben wollen. Und von jetzt auf gleich funktionieren keine Zeitpläne, keine Strategie, keine bestimmte Vorgehensweise und es gibt keine Todo – Liste, die man abarbeiten kann und dann ist alles wieder gut. Die meisten erkennen sich selbst nicht wieder und fühlen sich hilflos.
Analytische und sachliche Intelligenz, Leistung und Wissen nutzen nichts mehr.
Ich selbst dachte auch, ach nun mach ich erst mal 2 Wochen Urlaub, dann mach ich noch 2 Wochen einen Krankenschein, dann hab ich mich erholt, bin wieder zu meinen alten Kräften zurückgekehrt und die Show geht weiter. Aber weißt du was? Nichts ging. Mein Kopf hatte sich das so schön überlegt, ich tue nun dies und das, ein bisschen Mediation, mach ein bisschen mehr Yoga, autogenes Training, mach mal Pause und dann gehts weiter.
Das Schlimmste war einfach, das ich körperlich so erschöpft war, das ich eigentlich nur schlafen wollte. Tagelang, Wochenlang. Meine Muskeln waren wie Stein, meine Halswirbelsäule so verspannt, dass ich mir so viele Nerven abdrückte, das mir schwindlig war, ich nicht mehr richtig sehen konnte, das Gefühl hatte mein Kopf ist in einen Helm aus Watte gepackt und eine kalte Hand sitzt mir in Nacken, die immer wieder sagt „Ulla, nun komm aber in die Gänge sonst lebst du bald verarmt unter der nächsten Brücke“. Ich war müde, doch auch panisch, vollkommen fertig, aber innerlich so unruhig und getrieben. Ich wollte so schnell wie möglich wieder die Alte sein. Aber es ging nicht, das erste Mal schien kein Plan und keine zeitliche Frist zu funktionieren. Es war zum verrückt werden.
Weißt du, ich hatte das Glück nicht erst mit Yoga, Atemübung, Meditation, Selbstreflexion starten zu müssen, ich kannte das bereits, doch ich war selbst dafür noch zu schlapp.
Alles, einfach alles war zu viel.
Ich brauchte einfach ein paar Wochen des „Nichts“. Irgendwann fing ich dann an verschiedene Tools auszuprobieren, fuhr zu einem Achtsamkeit-Retreat zu einem tibetischen Lama, ließ mich beraten, coachen doch nichts davon wirkte Zack-Zack. Es brauchte Zeit, von der ich aber glaubte, ich trödele rum, komm nicht von der Stelle, doch desto mehr ich machte, desto langsamer ging es.
Ich lernte das erste Mal, dass Zeit zwar eine Maßeinheit ist die wir im Leben nutzen, aber Zeit nichts mit meinem Leben selbst zu tun hat.
Heute sehe ich, wie viel damals innerlich in mir geschehen war, wie weit ich gekommen bin, obwohl ich dachte, es passiert gar nichts. Rückblickend sieht man immer mehr.
Ich erlebe ganz häufig mit Kunden, das sie unmittelbar nach der Diagnose Burnout Empfehlungen bekommen „mach doch Yoga, progressive Muskelentspannung, Familienaufstellung und alles Mögliche“. Das sind gut gemeinte Ratschläge und diese Methoden sind wertvoll und wichtig, doch sie helfen in der Regel auf lange Sicht.
Bei jemanden der aber gerade erst aus den Schuhen gekippt ist, wirken solche Ratschläge häufig erst mal kontraproduktiv. Denn jemand, der sein Leben lang in der „Tue dies und tue das -Welt“ gelebt hat und nun einfach nicht mehr kann, braucht keinen Rat „tue dies und tue das“ sondern für denjenigen ist es wichtig zu lernen, das er ein wertvoller Mensch ist, auch wenn er gar nichts tut, nichts, überhaupt nichts. Und das er lernt, nicht auf die laute Welt dort draußen zu hören, was man nicht alles tun muss, sondern das er nach innen hört und einfach nur bei sich selbst ist.
Dann gibt es noch so einen wundervollen Satz „dir geht es doch gut“. Glaube mir, ich bin ein friedlicher Mensch, aber bei dem Satz mache ich die Faust in der Tasche.
Ich bin davon überzeugt, solche Aussagen sind gut gemeint, denn meist wollen sie jemanden an das Gute in seinem Leben erinnern. Teilweise kommen sie einfach auch aus dem Unverständnis heraus. Was ich aber sicher weiß, dieser Satz hilft nie, niemals, für nichts.
Dieser Satz hilft nämlich nicht den Fokus auf das Gute zu ändern, sondern sie lassen denjenigen nur spüren, dass er nicht verstanden wird und er fühlt sich noch mehr falsch und schlechter als vorher. Also bitte, streiche diesen Satz einfach.
Nun fällt unserem Gesundheitssystem solch eine Therapie aber echt schwer, das „starten mit dem Nichtstun“. Da wird in Momenten der vollkommenen Erschöpfung die Aufarbeitung der Kindheit, der Persönlichkeit, der Beziehungen usw. gestartet. Man muss ja was tun, meiner Meinung nach ein bisschen zu früh.
Es braucht Zeit der Regeneration, des Kräfte tanken, bevor die Reflexion beginnen kann.
Es gibt ehrlich gesagt, kein Standardrezept, dass für alle wirkt. Weder die Regeneration, noch die Reflexion lassen sich über einen Kamm scheren, die Wege der Menschen sind hier sehr individuell, je nach Persönlichkeit, Geschichte und Zielsetzung. Dies ist unter Anderem ein Grund, warum ich in diesen Coachings nie in einem Gruppenprogramm arbeite.
Der Psychiater Manfred Lütz hat gesagt „Burnout ist keine Krankheit, sondern eine soziale Problematik“. Ich kann das in den meisten Fällen nur bestätigen, denn bei den wenigsten handelt es sich wirklich um eine ernsthafte Depression. Bei den meisten geht es um eine persönliche und existenzielle Krise. Es sind Menschen die einfach mit ihrem Job und ihrem Leben nicht mehr klar kommen, da wir in einer Arbeitswelt und Gesellschaft leben, die nur noch leistungs- und konsumorientiert ist.
Natürlich hat es immer mit einem Selbst zu tun, mit der Persönlichkeit und dem eigenen Selbstbild, aber es wäre wesentlich sinnvoller in die positive Veränderung unserer Arbeits- und Gesellschaftskultur zu investieren, als später in Burnout – Behandlung usw.
Lasst uns einfach das Leben von vornherein entspannter angehen, halt mehr in Balance sein.